Ukraine 99

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Ukraine – Index

 

 

 

 

From Ukraine to Yemen

 

Von der Ukraine in den Jemen

 

Schlimmer kann Doppelmoral nicht mehr sein

 

Es ist kaum zu glauben, was hier passiert. Im Land X vertreiben Rebellen mit Gewalt den Präsidenten. Der Präsident flieht in das große Nachbarland und bittet dort um Hilfe. Das Nachbarland lässt seine Luftwaffe Ziele in verschiedenen Städten von Land X bombardieren, inklusive der Hauptstadt. Zahlreiche Zivilisten kommen ums Leben. Das große Nachbarland lässt eine Streitmacht von 150.000 Soldaten an der Grenze von Land X aufmarschieren. Der deutsche Außenminister erklärt, er habe „Verständnis“ für das Vorgehen des großen Nachbarlandes. Und der Sprecher des deutschen Auswärtigen Amtes erklärt sogar, dass das Vorgehen des großen Nachbarlandes „im Einklang mit dem Völkerrecht steht“, denn: „Es hat von der legitimen demokratisch gewählten Regierung des Landes X in einer für sie, für das Land und auch für den Staatspräsidenten persönlich außerordentlich bedrohlichen Situation eine Bitte um Hilfe an die Staatengemeinschaft, auch an das Nachbarland, gegeben. Es ist nach den Regeln des Völkerrechts legitim, wenn auf die Bitte eines legitimen Staatsoberhauptes dann im Wege der Nothilfe reagiert wird. Insofern haben wir ‑ jedenfalls nach dem, was wir wissen ‑ keine Zweifel an der völkerrechtlichen Legitimität des Vorgehens des Nachbarlandes.“

 

Sie fragen sich, ob Sie vielleicht in der Ukrainekrise irgendetwas nicht mitbekommen haben? Land X: Ukraine? Präsident und Regierung, demokratisch gewählt, Janukowitsch! Ja, das war eine „für den Staatspräsidenten persönlich außerordentlich bedrohliche Situation“, als der Rechte Sektor auf dem Maidan am 22. Februar 2014 einen gewaltsamen Umsturz machte und Janukowitsch ins große Nachbarland Russland fliehen musste. Sie haben gar nicht mitbekommen, wie die russische Luftwaffe Kiew bombardierte und unser Auswärtiges Amt erklärte, das sei alles „im Einklang mit dem Völkerrecht“?

 

Würde alles für die Ukraine passen, nur: Es geht ja auch gar nicht um die Ukraine, sondern um den Jemen. Ach so. Es geht um den zu den Saudis geflohenen Präsidenten Hadi und die Bombenangriffe der saudischen Luftwaffe auf Sanaa und andere Städte im Jemen. Und da ist die direkte Einmischung der Saudis dann plötzlich „im Einklang mit dem Völkerrecht“, die verdeckte Einmischung von Russland in der Ukraine ist es natürlich überhaupt nicht. Das verstehen Sie nicht? That’s Doppelmoral, stupid.

 

Im Jemen geht es nun mal um amerikanische geopolitische Interessen (in der Ukraine natürlich auch), nur jetzt eben unter umgekehrten Vorzeichen. Während die USA in der Ukraine den Sturz eines demokratisch gewählten Präsidenten selbst entscheidend mit betrieben hat, weil er amerikanischen Interessen im Wege war, ist der „demokratisch gewählte“ Präsident im Jemen unantastbar und bleibt auf jeden Fall Präsident, weil er eben amerikanischen Interessen nützt. Das geopolitische Interesse der USA: Die Rebellen sind „Schiiten“ (tatsächlich sind sie Zaiditen, und der iranische Einfluss auf sie ist gering), es geht darum, den Einfluss des Iran im Jemen klein zu halten. Und Deutschland als braver Vasall hängt seine Fahne in den Wind, der aus Washington weht. Also deshalb: Wenn der demokratisch gewählte Janukowitsch Hadi von dem Rechten Sektor den Huthi-Rebellen mit Gewalt vertrieben wird und Zuflucht in Russland Saudi-Arabien sucht, dort um Hilfe bittet und die russische saudische Luftwaffe dann Kiew Sanaa und andere Städte bombardiert, dann ist das „im Einklang mit dem Völkerrecht“.

 

Wenn Sie das nicht glauben:

 

27.3.2015 – Auswärtiges Amt

Außenminister Steinmeier im Interview: „Die demokratisch gewählte Regierung des Jemen ist von den Houthi-Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa vertrieben und jetzt auch in Aden angegriffen worden. Staatspräsident Hadi hat das Nachbarland Saudi-Arabien angesichts dieser akuten Bedrohung um Hilfe gebeten. Saudi-Arabien hat dann gestern mit Unterstützung aus der Region Luftangriffe auf Houthi-Stellungen geflogen. Vor diesem Hintergrund habe ich Verständnis für das saudische Vorgehen.“

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Interviews/2015/150327-BM_Bild.html

 

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Dr. Martin Schäfer: „Sie sprechen die Frage an, ob das, was die Saudis dort tun, im Einklang mit dem Völkerrecht steht. Die Antwort aus Sicht der Bundesregierung lautet: Ja. Es hat von der legitimen demokratisch gewählten Regierung des Jemen in einer für sie, für das Land und auch für den Staatspräsidenten persönlich außerordentlich bedrohlichen Situation eine Bitte um Hilfe an die Staatengemeinschaft, auch an Saudi-Arabien, gegeben. Es ist nach den Regeln des Völkerrechts legitim, wenn auf die Bitte eines legitimen Staatsoberhauptes dann im Wege der Nothilfe reagiert wird. Insofern haben wir ‑ jedenfalls nach dem, was wir wissen ‑ keine Zweifel an der völkerrechtlichen Legitimität des saudischen Vorgehens.“

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/03/2015-03-27-regpk.html

 

Aber es kommt noch besser. „Demokratisch gewählt“ – das gilt zwar einigermaßen für Janukowitsch in der Ukraine, für Hadi im Jemen gilt es ganz sicher nicht. er ein Mann des alten Regimes von Präsident Saleh war, der das Land seit 1978 (den Norden) und 1990 (den Süden) regiert und ausgeplündert hatte und gegen dessen Regiment sich die Jemeniten 2011 erhoben haben. Hadi war seit 1994 Salehs Vizepräsident gewesen – und seine Einsetzung bzw. „Wahl“ 2012 war ein von den starken Nachbarn (Golf-Kooperationsrat, in dem die Saudis das Sagen haben) und den USA eingefädelter Deal für einen möglichst ruhigen Machtübergang.

 

Einen Machtübergang, der sicherstellen sollte, dass die Zusammenarbeit des Jemen mit den USA weiterhin so funktionierte wie bisher, ein Stichwort: Einsatz von US-Drohnen auf Ziele im Jemen im Rahmen des Anti-Terror-Krieges; Stützpunkt Al Anad: http://en.wikipedia.org/wiki/Al_Anad_Air_Base), und auch die Saudis ihren Einfluss in dem armen Nachbarland wahren oder ausbauen konnten.

 

Hadi war der einzige Kandidat, gewählt wurde er mit 99,8 % der Stimmen; solche „Wahl“ergebnisse hat man im „Westen“ doch geradezu als Beweise für eine undemokratische Wahl angesehen, viele Grüße von Erich Honecker), er war für zwei Jahre gewählt und hatte sein Amt am 25. Februar 2012 angetreten. Die Konferenz des Nationalen Dialogs, die eine neue Verfassung ausarbeiten sollte, hat im Januar 2015 Hadis Amtszeit noch einmal um ein Jahr verlängert (http://www.yementimes.com/en/1748/news/3383/NDC-extends-Hadi%27s-term-for-one-year-on-a-day-marked-by-an-assassination.htm).

 

Ein revolutionärer Umsturz hatte ihn noch kurz vor dem Ende seiner Amtszeit aus dem Amt verdrängt, er trat am 22. Januar 2015 unter dem wachsenden, sich in Gewalt entladenden Druck zurück. So etwas durfte es für den „Westen“ in diesem Fall nicht geben. In der Ukraine lief es ein Jahr zuvor genau anders herum – der Präsident wurde unter revolutionären Umständen aus dem Amt gedrängt, oder, wenn man sich die Bilder von damals anschaut und die Dinge beim Namen nennt, von einem bewaffneten Mob, dessen Vormarsch den Präsidenten zur Flucht nötigte, wenn ihm sein Leben lieb war. Ja, der „Westen“ hat diesen Umsturz selbst auf vielerlei Weise vorangetrieben.

 

Nun, dass der „Westen“ in Sachen Ukraine sich genau gegenteilig positioniert als in Sachen Jemen, das ist auch anderen Leuten aufgefallen, etwa dem Journalisten, der auf einer Pressekonferenz des US-Außenministeriums die Ministeriumssprecherin Jen Psaki danach fragte: https://www.youtube.com/watch?v=XTOgTi417tk.

 

Sie antwortet, relevant sei, was die jemenitische Verfassung dazu sagt, und er solle doch die jemenitische Verfassung anschauen. Als der Journalist nachfragt, erklärt sie, er wolle (im Hinblick auf die Ukraine!) „in diesem Fall die Geschichte korrigieren“, und Janukowitsch habe doch sein eigenes Land verlassen, „wir erinnern uns doch alle daran, was hier geschehen ist“. Hadi hat sein Land nicht verlassen? Frau Psaki hat wegen ihrer vielen dämlichen Aussagen in mehreren Ländern schon fast Kultstatus erreicht:

 

Es war nach Lage der Dinge klar, dass die Absetzung von Präsident Hadi in der Tat keinen Verfassungsregeln folgte. Die zu diesem Zeitpunkt immer noch geltende Verfassung in der letzten Fassung von 2007 sah in Absatz 128 für die Absetzung des Präsidenten einen geregelten Ablauf vor. Nur ein Parlamentsbeschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit und eine Verurteilung in einem Prozess machten eine Absetzung des Präsidenten oder des Vizepräsidenten möglich (http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=category&category=LEGAL&publisher=&type=&coi=YEM&docid=3fc4c1e94&skip=0).  

 

Die im Widerspruch zur geltenden Verfassung stehende Verdrängung des Noch-Präsidenten Hadi aus dem Amt –– erfolgte kurz vor dem Ende seiner verlängerten Amtszeit als Übergangspräsident. Anfang Februar 2015 widerrief Hadi seinen Rücktritt, nur: am 24. Februar 2015 endete seine durch die Konferenz des Nationalen Dialogs noch um ein Jahr verlängerte Amtszeit ohnehin. Und danach gab es keine Einrichtung mehr, die ihm noch hätte eine neue Legitimität verleihen können. Das interessierte aber zu diesem Zeitpunkt weder Hadi, noch die Saudis, noch den „Westen“.

 

Aber genau mit dem Rückgriff auf die jemenitische Verfassung hat Frau Psaki überhaupt nichts erklärt, im Gegenteil. Die Fragestellung bezog sich ja auf die Parallelen zu den Ereignissen in der Ukraine und warum die USA sich im Fall der Ukraine genau anders herum positionierten. Wenn die Einhaltung der Verfassung das entscheidende Kriterium sein sollte, dann sollte das ja nicht nur hinsichtlich des Jemen, sondern ebenso im Hinblick auf die Ukraine gelten.

 

Und, wen sollte es wundern: Auch die Absetzung von Präsident Janukowitsch ist nicht nach den Regeln der ukrainischen Verfassung gemäß erfolgt. Nur dass das in diesem Fall im „Westen“ herzlich wenig interessiert. Das Auswärtige Amt etwa tritt in seiner „Handreichung“ mit dem schönen Titel: „Realitätscheck: Russische Behauptungen – unsere Antworten“ (http://www.heise.de/tp/artikel/44/44224/44224_1.pdf) zum Umgang mit russischer „Propaganda“ unter Punkt 3 der Behauptung entgegen, die Absetzung von Janukowitsch und die Einsetzung der neuen Übergangsregierung seien ein „Staatstreich“ gewesen. Die Aussagen des Auswärtigen Amtes suggerieren, die Absetzung sei gemäß der Verfassung erfolgt – nur dass der vom Auswärtigen Amt beschriebene Weg der Ansetzung des Präsidenten in der Verfassung selbst überhaupt nicht vorgesehen ist.

 

Ausführlich beschreibt dies Andreas von Westphalen, den wir hier zitieren wollen (http://www.hintergrund.de/201504013484/politik/welt/propaganda-statt-dialog.html, dort auch die Anmerkungen mit den Verlinkungen):

 

„Die Antwort des Auswärtigen Amtes kann man ein wenig überspitzt dahingehend zusammen fassen, dass es sich nicht um einen Staatsstreich handeln könne, weil Janukowitsch geflohen sei. Dabei wird jedoch in keiner Weise thematisiert, dass es eine Reihe von eindeutigen Hinweisen gibt, dass Janukowitschs Flucht alles andere als freiwillig war. […]“

 

Während die Lage immer mehr eskalierte, war am 21. Februar unter Vermittlung unter anderem des deutschen Außenministers Steinmeier ein Abkommen zwischen der Regierung Janukowitsch und der Opposition geschlossen waren, das eine Regierungsbeteiligung und einen friedlichen Übergang mit Neuwahlen vorsah. Die radikalen Teile des Maidan waren jedoch damit keineswegs zufrieden. Sie wandten sich gegen die gemäßigten Oppositionsführer und gingen weiter mit Gewalt gegen Regierungsgebäude und Polizei vor. Die Menge skandierte „Tod dem Verbrecher!“ (Janukowitsch), Molotowcocktails wurden vorbereitet, Waffen waren aus Polizeistationen entwendet worden. Von Westphalen weiter:

 

„Wenige Stunden vor Janukowitschs Flucht hatten die Sicherheitskräfte den Präsidentschaftspalast und andere Regierungsräume verlassen. Schutzlos, mit klaren Gewaltdrohungen konfrontiert und mit bröckelnder Unterstützung in Partei und Regierungsapparat floh Janukowitsch. Danach stürmten Demonstranten den Präsidentschaftspalat und den Wohnsitz Janukowitschs. Seine Mitarbeiter erklären der New York Times, dass er keine Wahl hatte und fliehen musste.(36)

 

Die Antwort des Auswärtigen Amtes erwähnt zwar, dass die Situation nach der Flucht von Janukowitsch nicht in „der ukrainischen Verfassung explizit geregelt“ war, doch ist der Tenor eindeutig, dass bei der Absetzung Janukowitschs und der Einsetzung der Übergangsregierung dem Recht Genüge getan worden sei.

 

Eine Stunde, nachdem Janukowitsch sich im Fernsehen zu Wort gemeldet und betont hatte, dass er nicht zurücktreten werde, entschied das ukrainische Parlament am 23. Februar, also einen Tag nach seiner Flucht, Janukowitsch als Präsidenten abzusetzen. Dies geschah mit „mit 328 Stimmen ohne Gegenstimme“, wie das Auswärtige Amt betont. Dabei wird aber die Information unterschlagen, dass das Abgeordnetenhaus 450 Sitze hat, Es haben “also offenbar ein Viertel der Abgeordnete ihre Stimme gar nicht abgegeben haben. Ein Grund dafür könnte die Präsenz von bewaffneten Aktivisten rund um das Parlamentshaus sein.(37) Dort kam es vermutlich auch zu Gewaltanwendung gegen Abgeordnete.(38)328 abgegebene Stimmen reichen aber nach der ukrainischen Verfassung nicht aus, denn für ein Amtsenthebungsverfahren werden 75 Prozent benötigt. Es stimmten aber nur 72,89 Prozent dafür.(39)

 

Dies ist aber bei Weitem nicht das einzige juristische Problem bei der Amtsenthebung. Die ukrainische Verfassung sieht nur vier mögliche Gründe für eine Absetzung vor: den Rücktritt des Präsidenten, gesundheitliche Gründe, ein Amtsenthebungsverfahren oder den Tod des Amtsinhabers. Das Amtsenthebungsverfahren hätte von der verfassungsmäßigen Mehrheit des Parlaments initiiert werden müssen. Zur Durchführung des Untersuchungsverfahrens müsste das Parlament dann ein kompliziertes, aber juristisch festgelegtes Prozedere durchlaufen.(40) Das war bei Janukowitsch aber nicht der Fall. Der vom Parlament genannte Grund, dass er durch Verlassen des Landes seine Präsidentschaft verwirkt hätte, ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Was auch einer Logik nicht entbehrt. Was hätte man machen sollen, wenn Janukowitsch am nächsten Tage in die Ukraine zurückgekehrt wäre? Wäre der demokratisch gewählte Präsident seines Amtes enthoben worden, weil er kurzzeitig verreist war?

 

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung urteilte daher am Tag von Janukowitschs Flucht: „Solange Janukowitsch nicht von selbst abtritt, kann der Westen die neue Lage in Kiew also nicht anerkennen, auch wenn sich die Revolutionäre darauf berufen, die Absetzung sei legal, da der Präsident abgetaucht sei.“(41)

 

Die EU erkannte die neuen Verhältnisse noch nicht einmal 24 Stunden nach der Abstimmung des Parlaments in Kiew an. Bemerkenswert erscheint hier auch der Umstand – der dem Auswärtigen Amt kein Wort der Erwähnung wert war – , dass das Parlament und die Abgeordneten unter dem Druck bewaffneter und gewaltbereiter „Aktivisten“ stand. Noch einmal von Westphalen: Es haben also offenbar ein Viertel der Abgeordnete ihre Stimme gar nicht abgegeben […]. Ein Grund dafür könnte die Präsenz von bewaffneten Aktivisten rund um das Parlamentshaus sein. Dort kam es vermutlich auch zu Gewaltanwendung gegen Abgeordnete.“

 Das kann man auch im Bild sehen: http://www.sueddeutsche.de/politik/umbruch-in-der-ukraine-timoschenko-in-freiheit-janukowitsch-verlaesst-kiew-1.1895780-5 und http://www.sueddeutsche.de/politik/umbruch-in-der-ukraine-timoschenko-in-freiheit-janukowitsch-verlaesst-kiew-1.1895780-6

 

Damit erinnert diese Situation fatal an die Lage der Abgeordneten des deutschen Reichstags, die am 24. März 1933 in der als Tagungsort gewählten Krolloper über das Ermächtigungsgesetz „zur Behebung der Not von Volk und Reich“ abstimmen sollten. Dieses Gesetz sollte die Regierung von Adolf Hitler ermächtigen sollte, ohne Zustimmung des Reichstags und des Reichsrats sowie ohne Gegenzeichnung durch den Reichspräsidenten Gesetze zu erlassen; es gilt als die Grundlage der nationalsozialistischen Diktatur.

Wikipedia beschreibt die Szenerie um die und in der Krolloper so: „Das Gebäude wurde von der SS abgesperrt, die an diesem Tag erstmals in größerem Rahmen in Erscheinung trat. Im Inneren standen lange SA-Kolonnen. Als weitere Neuerung hing eine riesige Hakenkreuzfahne hinter dem Podium.“ An der Abstimmung gar nicht mehr teilnehmen konnten die Abgeordneten der KPD, deren Mandate bereits am 8. März annuliert worden waren.

 

Viele von ihnen waren zum Zeitpunkt der Abstimmung am 24. März nicht einmal mehr in Freiheit, sie waren bereits verhaftet und in die kurz zuvor eingerichteten Konzentrationslager eingeliefert worden. Auch das Fehlen eines Teils der Abgeordneten eine Parallele zu Kiew!

 

Wie die SA am Tag der Abstimmung am 24. März in den Reichstag marschiert, kann man hier sehen: http://www.ns-archiv.de/system/gesetze/1933/ermaechtigungsgesetz/faksimile/ermaechtigungsgesetz-sa.php. Und hier kann man sehen, wie sie zur Einschüchterung der Abgeordneten an der Seite des Sitzungssaales stehen: http://www.bundestag.de/kulturundgeschichte/geschichte/ausstellungen/verfassung/tafel23.

 

Und ausgerechnet das deutsche Auswärtige Amt deckt den Mantel des Schweigens darüber, wenn sich ganz Ähnliches wiederholt. Zusammengefasst: Die Absetzung von Janukowitsch brach die Regeln der ukrainischen Verfassung, die Begleitumstände der Abstimmung im Parlament ähneln fatal der Installierung der Diktatur von Adolf Hitler.

 

Fazit: In der Ukraine möchte der „Westen“ (die USA und ihre regionalen Verbündeten in EU und NATO) den ihm unbequemen Präsidenten loswerden und unterstützt die „Revolutionäre“ im Land, heizt durch seine Solidarität den Aufstand weiter an, erkennt nach der Vertreibung des Präsidenten sofort die neuen Machthaber an und unterstützt sie, bzw. hat sogar selbst die Fäden gezogen, um die ihm genehmen Leute ins Amt zu hieven (man denke an Nuland und Janezjuk). Mit Billigung und Unterstützung des Westens bombardieren die neuen Machthaber – als die engen Verbündeten / Vasallen / Proxys des Westens – diejenigen, die sich dem Umsturz widersetzen. Opfer, wie immer: über 90 % Zivilisten: Männer, die ihrer täglichen Arbeit nachgehen, Alte, Frauen und Kinder.

 

Im Jemen möchten der „Westen“ (hier die USA und ihre regionalen verbündeten (Saudi-Arabien und die Golfstaaten) einen willfährigen Präsidenten auf jeden Fall im Amt halten. Sie positionieren sich gegen die „Revolutionäre“, die ihn vertrieben haben, und unterstützen den vertriebenen Präsidenten weiterhin. Mit Billigung und massiver militärischer Unterstützung der USA (und moralischer Unterstützung auch des übrigens „Westens“, siehe oben zum deutschen Auswärtigen Amt) bombardieren die engen Verbündeten / Vasallen / Proxys des Westens  (hier: die Saudis und ihre Koalition) diejenigen, die sich dem Umsturz widersetzen. Opfer, wie immer: über 90 % Zivilisten: Männer, die ihrer täglichen Arbeit nachgehen, Alte, Frauen und Kinder.

 

Wie im Titel gesagt: Schlimmer kann Doppelmoral nicht sein. Aber in der Politik des „Westens“ begegnen wir der Doppelmoral andauernd. Wenn etwas für die sog. „westlichen Werte“ steht, dann das. Die „westlichen Werte“ werden ja immer dann bemüht, wenn es um massive Eingriffe in anderen Ländern geht. Mit Menschenrechten, Humanismus und allgemein gültigen menschlichen Werte hat das nie etwas zu tun, wenn von „westlichen Werten“ die Rede ist. Die Durchsetzung der ominösen „westlichen Werte“ endet oft tödlich – wie im Jemen und in der Ukraine zu besichtigen. Die „westlichen Werte“ sind, in letzter Konsequenz, die Negation des elementarsten Wertes, der alle menschlichen Kulturen eint und den Juden und Christen in ihrem fünften Gebot so formuliert haben: Du sollst nicht töten.

 

Jemen: http://poorworld.net/YemenWar.htm

 

(der erste Teil gepostet am 30.3.2015 unter https://www.freitag.de/autoren/dklose/ukraine-und-jemen-doppelmoral-vom-feinsten, ergänzt am 24. 5. 2015)

 

 

 

 

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