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Wer trägt die Schuld an den Toten in der Ukraine?

 

Es ist nichts besonderes, eher schon der Normalfall, wenn westliche Politiker und Medien Russland, sehr oft personifiziert allein durch Wladimir Putin, die Alleinschuld an der Ukraine-Krise und dem Ukraine-Krieg geben. Das muss bei der Vielzahl der unterschiedlichen Akteure in diesem Konflikt, den ganz verschiedenen und vielschichtigen Konfliktlinien und Konfliktfeldern verwundern. Man würde ja hier doch eine Abwägung dieser vielen Beteiligten, Interessen und Hintergründe erwarten, aber genau diese Erwartung wird in der Regel nicht erfüllt. Wenn also hier die Schuld an allem einfach einer Seite zugeschoben wird, dann ist auf jeden Fall höchster Propaganda-Verdacht angesagt.

 

Aber von der Frage nach der Schuld an diesem Konflikt und damit diesem Krieg soll hier gar nicht die Rede sein, sondern es soll hier um die besondere Frage gehen: Wer hat denn Schuld an den Toten dieses Krieges? Und zwar vor allem an den vielen ums Leben gekommenen Zivilisten. Wie einfach, wenn man Russland bzw. Putin die ganze Schuld an diesem Krieg untergeschoben hat, dann ist es doch ein Leichtes, ihm auch die Schuld an den vielen Tausend Kriegstoten zu geben?

 

In der Resolution 758 des US-amerikanischen Kongresses, einer einzigartigen Aneinanderreihung von schwersten Vorwürfen gegen Russland und Vladimir Putin, für den amerikanischen Politiker Ron Paul gar eines der „schlimmsten Stücke von Gesetzgebung aller Zeiten… 16 Seiten Kriegspropaganda, die selbst Neocons die Schamesröte ins Gesicht treiben würde, wenn sie dazu fähig wären“, heißt es:

 

„In Anbetracht dessen, dass die Russische Föderation militärische Ausrüstung, Ausbildung und andere Unterstützung für die Separatisten und paramilitärischen Kräfte bereitstellt, was bisher zu über 4000 getöteten Zivilisten und hunderttausenden Flüchtlingen und weitgehender Zerstörung geführt hat …“

 

Katja Petrowskaja begann ihren Artikel „Der Fall Ukraine ist die Niederlage Europas“ für die „Frankfurter Allgemeine“ vom 29. Dezember 2014 so:

 

„Wenn Tausende Menschen in einem Krieg in meinem Land erschossen werden, wenn über eine Million auf der Flucht sind, wenn sich in der Kriegsregion Hunger ausbreitet und Menschen sterben in ihren grauen Kellern, wenn Tausende Kriegswaisen nach Hilfe suchen …“

 

Der ganze Artikel ist eine einzige Anklage gegen Russland und Putin im Besonderen, die Ukraine das arme Opfer der russischen Aggression, an Europa wird leidenschaftlich appelliert, diesem armen Opfer zu Hilfe zu kommen. Dass es in der Ukraine und in diesem Krieg verschiedene Akteure gibt, kommt nicht vor. Und die ganz simple Frage, die ja wohl gleich in diesem ersten Satz hätte beantwortet werden müssen: „Ja bitte, wer hat sie denn erschossen?“ wird überhaupt nicht gestellt.

 

Bei diesem für eine Beurteilung dieser Vorgänge besonders wichtigen Punkt wird einfach so getan, als gäbe es ihn nicht. Schon die Antwort auf diese Frage würde den ganzen folgenden Artikel ad absurdum führen. Und so muss man schon daraus, dass diese Frage und die Antwort hier ausgeblendet werden, folgern: Was weiter kommt, ist Propaganda, sind drei Seiten „Bullshit“.

 

Steffen Dobbert schreibt am 29. Dezember 2014 für „Zeit online“ in seinem Artikel „Es war Putins Jahr“:

 

„Etwa 5.000 Menschen starben bisher in diesem Krieg, der ohne Putins Eingriff im Frühjahr nicht ausgebrochen wäre. Dies ist der schlimmste Preis, den Russen und Ukrainer für die Politik des russischen Präsidenten zahlen mussten.“

 

Die hier zitierten Aussagen sind nicht nur infam, sie sind schlichtweg falsch. Und sie zeugen im besten Fall von einem hohen Grad an Gedächtnisverlust oder Demenz, wenn man den Autoren und dem ameikanischen Kongress nicht bewusste Verdrehung zur Täuschung der Leser im Sinne der Durchsetzung einer propagandistischen Agenda vorwerfen will. Rekapitulieren wir:

 

USA und EU haben den Umsturz im Februar massiv unterstützt. Sie waren auch schon lange vorbereitend hierfür tätig (Nulands Aussage von den 5 Milliarden Dollar, die die USA über einen Zeitraum von 20 Jahren hierfür ausgegeben haben). Schon die „Orangene Revolution“ von 2004 war entscheidend vom Westen unterstützt und finanziert worden.

 

Bei den Protestlern auf dem Maidan gewannen immer mehr die gewaltbereiten militanten Rechtsradikalen die Oberhand. Diese haben den dann vom Westen (Steinmeier) initiierten Vertrag vom 21. Februar für einen friedlichen Machtübergang innerhalb nicht einmal 24 Stunden durch gewaltsames Vorgehen in Makulatur verwandelt und mit Gewalt in einem Coup die Macht für die Opposition erobert.

 

Der Westen hat weder in diesem Moment noch irgendwann später auch nur einen Hauch seiner vollständigen Unterstützung der Maidan-Kräfte, weder als diese noch in der Opposition noch als diese dann an der Regierung waren, zurückgenommen.

 

Alles, was diese neue Regierung unternahm, war richtig und wurde uns auch so von unseren Medien verkauft, jeder Protest oder Widerstand gegen diese Regierung war falsch, dumm, sowjetisch-reaktionär, von Russland inszeniert etc.

 

Denn in der Ostukraine und im Süden des Landes regte sich nun schnell Widerstand gegen den Umsturz: Die alte Regierung hatte ihre Anhänger vor allem in diesen Gebieten.

 

Die Rechtsradikalen, die den gewaltsamen Coup in Kiew veranstaltet hatten, bekamen in der neuen Regierung einen überproportional großen Einfluss und machten weiter mit extrem russenfeindlichen Parolen und Gewaltdrohungen. Und mit Russen waren hier gemeint nicht etwa Bürger der Russischen Föderation, also Ausländer, sondern die russischsprachigen und russischstämmigen ukrainischen Staatsbürger im Osten und Süden des Landes. Da wurde skandiert „Tötet die Russen“, ein Marsch auf die Krim vorbereitet, die Regierung machte mit mit einem Gesetz gegen die russische Sprache, u. a. m.

 

Und nun fing man im Westen an, andauernd mit zweierlei Maß zu messen. Denn die besagten „Russen“ waren in der Mehrzahl weder für die neue Regierung, noch wollten sie sich als Bürger 2. Klasse kujonieren und bedrohen lassen. Und jetzt machten sie genau das, was zur Zeit der alten Regierung die vom Westen unterstützten Oppositionskräfte getan hatten und zu diesem Zeitpunkt in Kiew und der Westukraine immer noch taten: öffentliche Gebäude besetzen und auf den Straßen und Plätzen protestieren.

 

Damals hatte der Westen die Janukowitsch-Regierung schärfstens gewarnt, mit Gewalt gegen die Proteste und die Gebäudebesetzungen vorzugehen. Jetzt, mit der neuen Regierung, war der Westen nicht nur still, jetzt war es auf einmal vollkommen richtig, dass die neue Regierung mit Gewalt gegen die Proteste vorging. Von vorneherein setzte die neue Regierung gegen die Proteste auf die gewaltsame, sehr schnell die militärische, Karte. Und der Westen fand das diesmal völlig richtig, die Protestierer wurden von Anfang an in eine separatistische und pro-russische Ecke gestellt, wogegen jede Gewaltanwendung richtig sei.

 

Am Anfang ging es nur um Autonomie innerhalb der Ukraine. Manche Protestierer traten anfangs sogar mit ukrainischen Fahnen auf! Durch das von Anfang an gewaltsame Vorgehen der neuen Regierung hat sich alles dann sehr schnell radikalisiert bis zu wirklichem Separatismus.

 

Am schlimmsten war der systematische Beschuss von Städten und Ortschaften durch die ukrainische Armee sowie die in der neuen Nationalgarde und anderen Freiwilligeneinheiten untergekommenen Rechtsradikalen, und das mit dem Hauptzweck, möglichst viel Zerstörungen anzurichten und möglichst viele Menschen zu töten und zu verletzen. Es waren und sind ganz überwiegend die ukrainischen Truppen, die die zivilen Toten zu verantworten haben, und ebenso auch die Politiker und die Medien im Westen, die sich nie von der ukrainischen Regierung und der von ihr veranstalteten Schlächterei distanzierten, die nie Druck auf sie ausübten, damit aufzuhören. Ob das nun Kumpanei mit Mördern ist oder was dann, darüber mag man diskutieren.

 

Natürlich sind Putin und seine Politik nicht unschuldig in diesem Konflikt. Er hat sicher stets die Gegenkräfte unterstützt, mit Geld vor dem Umsturz und auch mit Material und Beratern, als es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den „Separatisten“ und den Kräften der Regierung kam. Allerdings ganz offensichtlich in einem wesentlich geringeren Umfang, als seitens der ukrainischen Regierung und der ihr alles nachplappernden westlichen Medien stets behauptet.

 

Die „Separatisten“ haben, wenn überhaupt, nur begrenzt Waffen erhalten; die teilweise im Wochenrhythmus behaupteten russischen Invasionen erwiesen sich ganz schnell immer nur als heiße Luft. Nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienstler sollen ein paar hundert russische Soldaten in der Ostukraine sein – und das zum Teil aber in „Kontrollfunktionen“. Nun, weniger militärische „Berater“ hat der Westen auch nicht in der Ukraine.

 

Die Hilfe „Putins“ für die „Separatisten“ im Osten und die Hilfe des Westens für die aktuelle ukrainische Regierung dürften sich im Umfang nicht viel nehmen. Bei der Vorgeschichte – 5 Milliarden Dollar – sieht die westliche „Hilfe“ sogar noch größer aus (Denken wir hier noch einmal an die Resolution des US-Kongresses, die Russland genau das vorwirft, was die Amerikaner selbst in der Ukraine tun, nämlich die massive Unterstützung einer Bürgerkriegspartei).

 

Es ist also infam, gerade „Putin“ die 5000 Toten dieses Krieges anzulasten, von denen doch ein Großteil eben die Zivilisten sind, die gerade die ukrainischen Truppen zusammengeschossen haben.

 

Die „Schuld“ an den Toten dieses Krieges verteilt sich doch eher so: 1.) Die ukrainischen Truppen und die dahinterstehende Regierung; 2.) Der „Westen“ (Politik und Medien), die alle Gewaltexzesse von 1) immer bedingungslos unterstützt und damit erst möglich gemacht haben; auf dem 2. Platz ebenfalls die Kämpfer der „Separatisten“, die ukrainische Soldaten und Kämpfer durch Beschuss und im Gefecht töten, und abgeschlagen auf dem 3. Platz Putin und die russische Führung dafür, dass sie die „Separatisten“ unterstützen.

 

Wenn man also schon einen Schuldigen von außerhalb der Ukraine benennen will, hätte etwa der Passus in „Zeit online“ korrekt heißen müssen:

 

„Etwa 5.000 Menschen starben bisher in diesem Krieg, der ohne den Eingriff der USA, der EU und der NATO im Frühjahr nicht ausgebrochen wäre. Dies ist der schlimmste Preis, den Ukrainer, Russen und Europa für die Politik von USA, EU und NATO zahlen mussten.“

 

Die ermordeten Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder, Greise, sind nun einmal vor allem Poroschenkos und Yazenjuks Tote, in zweiter Linie die Toten derer, die ihnen trotz aller Kriegsverbrechen die Unterstützung nie entzogen haben, von Obama bis zu den Größen von NATO und EU, ebenso des größten Teils der westlichen Medien, die teilweise sogar zur Anwendung von noch mehr militärischer Gewalt aufgehetzt haben, und erst in dritter Hinsicht auch Putins Tote.

 

Hierzu siehe auch: UNSERE Toten in der Ukraine

 

 

 

 

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