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Ukraine - Index

 

Ukraine –Propaganda

 

 

UNSERE Toten in der Ukraine

 

Die ukrainische Regierung behauptet, im Osten des Landes einen Einsatz gegen „Terroristen“ zu führen. Hier sei nicht diskutiert, ob denn die Rebellen im Osten „Terroristen“ sind oder nicht. Denn was von Seiten der ukrainischen Armee (und anderer im Sinne des Genfer Abkommens irregulären Truppen wie der sog. ukrainischen „Nationalgarde“ und anderer Privatarmeen bestimmter Oligarchen) tatsächlich gemacht wird, ist zur effektiven Bekämpfung von – egal was jetzt – „Terroristen“, „Rebellen“, „bewaffneten Separatisten“ – in der Tat denkbar ungeeignet.

 

Eine nach der anderen, werden die von den – nennen wir sie „bewaffnete Rebellen“ – gehaltenen Städte und Orte aus der Umgebung mit „Grad“-Raketen beschossen. „Grad“ heißt Hagel; massenhaft werden die Raketen aus Batterien abgeschossen, breit gestreut und unpräzise. Das heißt, sie treffen rein zufällig denkbar alles, was sich in der Stadt befindet: Wohnhäuser, Industrieanlagen, Kirchen, Krankenhäuser, Kinderspielplätze, Frauen, Kinder, Alte, Männer, und vielleicht zufällig auch einmal einen bewaffneten Kämpfer.

 

Nur ein Gedankenspiel: Würde, wenn eine deutsche Stadt – nehmen wir nur mal eine von mittlerer Größe, Freiburg etwa, Augsburg, Erfurt, Karlsruhe, von einer Horde Bewaffneter besetzt worden wäre, die Bundesregierung die Bundeswehr Artilleriebatterien am Stadtrand postieren und blind tagelang massenweise Raketen auf Augsburg, Karlsruhe oder Erfurt abschießen lassen? Mit Meldungen (die im Rest der Welt freilich einfach aus den Nachrichten und Zeitungen draußen bleiben) wie:

 

Vincentius-Klinik in Karlsruhe in Flammen, von Rakete der Bundeswehr getroffen; 14 Menschen, darunter drei Kinder, im Schlossgarten von Karlsruhe Opfer von Raketenbeschuss durch Bundeswehr, Zahl der Verletzten unbekannt; Straßenbahn am Marktplatz von Karlsruhe durch Rakete der Bundeswehr zerstört, viele Tote und Verletzte; Raketeneinschlag in Wohnblock im Stadtzentrum von Karlsruhe mit Toten und Verletzten; die Arbeiten der Rettungskräfte durch andauernden Raketeneinschlag behindert usw. usw.

 

In Deutschland können Sie sich das nicht vorstellen? Warum dann bei Donezk, Lugansk, Gorlivka und anderen Städten in der Ostukraine? Zu Deutschland: Würde eine Regierung eine Stadt und deren Einwohner zusammenschießen lassen, die sie angeblich von einer Bande „Terroristen“, „Banditen“ oder was auch immer „befreien“ will? Ist, um einen anderen Vergleich zu bemühen, ein übliches und normales Vorgehen der Polizei bei einer Geiselnahme – nehmen wir einen Banküberfall – rein in die Bank und auf alle schießen, die sich in der Bank befinden, egal ob Geiseln oder Geiselnehmer?

 

Genau das macht allerdings die ukrainische Regierung bei allen von ihr „belagerten“ Städten in der Ostukraine! Und sie tut es, kann es tun, mit täglicher massiver politischer Unterstützung des „Westens“, mit massiver wirtschaftlicher Unterstützung des „Westens“ (mit welchem Geld finanziert der Pleitestaat Ukraine eigentlich diese Einsätze?), mit bewusstem Ausblenden der Folgen, der Zerstörungen, der Toten, der Opfer in den westlichen Medien und damit auch in einem großen Teil der westlichen Öffentlichkeit.

 

Was ist also der Unterschied? Im fiktiven Fall von Freiburg oder Karlsruhe oder bei der Geiselnahme in der Bank sind die Freiburger oder die Karlsruher, die Geiseln in der Bank selbstverständlich „welche von uns“, und die müssen auf jeden Fall unversehrt befreit werden. Das ist genau das Problem, und die Art des Militäreinsatzes der ukrainischen Regierung zeigt das dann auch: Die Einwohner der betreffenden Städte, von Donezk, von Lugansk, von Gorlivka (russ.: Gorlovka) usw. sind für sie eben in Wirklichkeit „keine von uns“, das sind alle miteinander welche von „den anderen“, in diesem Fall sind es eben einfach „Russen“, und das sind „keine von uns“.

 

Also beschießt man sie weitflächig und ziellos, tötet einfach jeden, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist, so einfach ist das. Das ist dann nur das Leid der „anderen“, eben nicht der „unseren“, das ist uns dann auch egal. Nur mit dieser, tödlichen, Ausgrenzung der gesamten Einwohnerschaft dieser Städte als „Andere“, und in dem gegenwärtigen Konflikt allgemein als „Feinde“, ist dieses Vorgehen der ukrainischen Regierung und Armee überhaupt erklärbar.

 

So werden Donezk, Lugansk, Gorlovka und andere zum Sarajewo, zum Dubrovnik des Jahres 2014. Erinnern Sie sich noch an die Berichte von den serbischen Scharfschützen, die von umliegenden Hügeln aus die Stadt Sarajewo beschossen haben, und vom serbischen Beschuss von Dubrovnik? Mit dem Hauptunterschied, dass nun zwanzig Jahre vergangen sind, die Schauplätze 2000 km auseinanderliegen und die Milosević und Karadžić von heute Poroschenko und Yazenjuk heißen? (Das Dauer-Gegenargument „Putin“ ist in diesem Fall nur eine Nebelkerze: Putin ist für genug verantwortlich, für den Beschuss der ostukrainischen Städte ist er es ebenso wenig wie seinerzeit Genscher für den Beschuss von Sarajewo und Dubrovnik verantwortlich war).

 

Damals waren wir im Westen mit Recht elektrisiert, sensibilisiert für das Leid der auf diese Weise beschossenen bosnischen und kroatischen Bevölkerung, war (ganz zu Recht!) völlig klar, wer und was hier moralisch zu verurteilen war, und wie die Politik handeln sollte. (Freilich, so muss man wohl im Rückblick sagen, passte damals ein Vorgehen gegen Serbien und die Unterstützung der sich aus der Bundesrepublik Jugoslawien lösenden Landesteile in das (geo)politische Konzept des Westens, der dann ja sogar auch, aufgrund von zum Teil sogar gefälschten Berichten – hierzu der Film „Deutschlands Weg in den Kosovo-Krieg“ –, selber militärisch eingriff).

 

In der Ukraine ist es mit den (geo)politischen Interessen nun genau anders herum, entsprechend genau anders herum verhält sich auch unsere Politik, werden wir von der zum großen Teil zur reinen Propaganda gewordenen veröffentlichten Meinung „eingenordet“. Eine menschlich schon ekelerregend zu nennende Folge davon: Zu den Zerstörungen, den Toten, den Opfern: In den sog. „Mainstreammedien“ bis auf einzelne Ausnahmen: Dröhnendes Schweigen. Wegsehen. Unter den Teppich kehren. Relativieren.

 

Ablenken – mit Vorliebe auf „Putin“ (dazu siehe oben). Als ob der Verweis auf „Putin“ – der bei uns immer mehr zum Popanz für alles aufgebaut wird – und alles, was ihm vorgeworfen wird, irgendwelche Verbrechen von denen, die ganz selbstverständlich so dargestellt werden, als wären sie „unsere Leute“ („Ukraine“, „Kiew“, Poroschenko und andere Namen) dadurch in irgendeiner Weise relativiert, gerechtfertigt, kleingeredet werden könnten? Wer glaubt das wirklich?

 

Die deutsche „Mainstream“-Presse schwadroniert in vielen Beiträgen extrem konfliktverschärfend und blendet bewusst die Toten und das Leid aus. Klares Kalkül: Wenn man einen Krieg rechtfertigen will, niemals Tote zeigen!! Die freie Berichterstattung aus dem Vietnamkrieg mit reichlich Berichten und Bildern von Leid und Tod hat damals ganz wesentlich zur Ablehnung des Krieges in der Welt und ebenso in Amerika beigetragen, als Folge: Nur noch „embedded journalists“, die man jederzeit unter voller Kontrolle hat. Hauptsache: Nur keine Toten zeigen, vor allem keine Frauen, Kinder und eigene Leute!

 

Dazu schreibt am 26. Juli 2014 in einem Artikel über den Absturz/Abschuss der malaysischen MH-17 ein namentlich nicht genannter Autor auf Austrian Wings:

 

„Zensur in den Medien?

Was ist los mit unseren Medien? Ja, diese Frage stellt sich denkenden Menschen wohl immer öfter? Wir sind Opfer einer Kriegshetze und einer Zensur die ihresgleichen sucht – jeder einzelne von uns! Das glauben Sie nicht? Im Internet sieht man unzensiert die Auswirkungen von Krieg. Mit „Krieg“ ist nicht gemeint A gegen B oder Gut gegen Böse. Krieg ist Krieg und dieser wird uns nicht gezeigt. Es wird uns vorenthalten, wie es aussieht, wenn die ukrainische Armee „Rebellennester“ mit Artillerie beschießt […]!

 

Es wird nicht gezeigt, wie eine Mutter mit abgetrenntem Unterleib und weit offenen Augen ihr Leben aushaucht. Es wird nicht gezeigt, wie das Dorf aussieht, über dem MH-17 abgeschossen wurde. Man sieht nicht die von den Passagieren des Fluges durchschlagenen Dächer, die Menschen, die sich aus 10 km Höhe in die Gemüsefelder gebohrt haben. Keine Bilder der verkohlten Überreste von an diesem Krieg der Interessen völlig unbeteiligter Menschen in ihren Sitzen, keine Leichenteile die von Hunden gefressen werden. Man zeigt im Westen nicht das wahre Gesicht des Krieges in der Ukraine!

 

Man will nicht, dass der „Westen“ kriegsmüde wird. Die erste Lehre aus dem Vietnamkrieg ist: keine Toten zeigen! Und schon gar keine zerfetzten und zerfleischten Frauen und Kinder. Denn bei diesen Bildern will niemand mehr Krieg! Und genau diese Bilder werden uns aus der Ukraine und von MH-17 vorenthalten.

 

Man zeigt nicht die Ukrainer / Rebellen / Menschen, die zutiefst betroffen durch das Trümmerfeld irren. Man zeigt einen „Terroristen“, wie er mit einem Teddybären vom Trümmerfeld der MH-17 prahlt, als Standbild in allen Medien um Hass zu schüren. Man zeigt nicht das Video, aus dem das Standbild stammt. Es zeigt eigentlich einen Rebellen, der als Mensch nicht mit dem fertig wird, was er vor sich sieht und den Teddy in die Kamera hält, um der Menschheit, um uns zu zeigen, was Krieg wirklich bedeutet.

 

Man sieht, wie in den Niederlanden die ersten Opfer dieses Verbrechens ankommen. Sie werden wie Soldaten, die im Krieg gefallen sind, empfangen. Es werden der Bevölkerung nur die Särge zugemutet, keine Leichen. Im Hintergrund wehen die Fahnen der Verbündeten gegen das Böse.“ Und mit Gaza könnte man hier gerade weiter machen…

 

Am Beispiel des Ersten Weltkriegs formulierte Lord Arthur Ponsonby (1871–1946), ein britischer Politiker und Friedensaktivist, die Strukturgesetze der Kriegspropaganda – sie gelten, wie die aktuelle Berichterstattung über die Ukraine zeigt, noch immer. Von Ponsonby stammt nicht nur das berühmte Diktum, dass das erste Opfer des Kriegs die Wahrheit ist – „When war is declared, truth is the first casualty“. In seinem 1928 veröffentlichten Buch „Falsehood in Wartime“ („Lüge in Kriegszeiten“) versuchte Ponsonby auch die Strukturelemente dieser Lügen und Fälschungen zu beschreiben, wie er sie am Beispiel des Ersten Weltkriegs beobachtet hatte:

 

Wir wollen den Krieg nicht.
Das gegnerische Lager trägt die Verantwortung.
Der Führer des Gegners ist ein Teufel.
Wir kämpfen für eine gute Sache.
Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen.
Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich.
Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm.
Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache.
Unsere Mission ist heilig.
Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter.

 

Hierzu, speziell mit Bezug zur Ukraine, unter Telepolis. Das gilt natürlich für die Berichterstattung über andere Kriege nicht viel anders, seien es die Irak-Kriege, die Kriege auf dem Balkan, Gaza, Afghanistan (ja, und das gilt natürlich auch für die aktuelle Tendenz in den russischen Medien, wofür im Übrigen das gleiche gilt wie oben über Putin gesagt. Mit dem Argument, die russischen Medien seien reine Propaganda, wird von dem, was bei uns läuft, abgelenkt; aber wir hier haben uns mit der Propaganda bei uns auseinanderzusetzen und nicht mit der in Russland, oder China, oder sonst wo). (1)

 

Fazit: Diese Art der Berichterstattung ist so wie sie ist, weil sie „embedded“ – eingebettet – in einem weiteren Sinne ist, eingebettet in die Verfolgung ganz bestimmter politischer, strategischer und wirtschaftlicher Interessen. Darüber gibt es mittlerweile reichlich zu lesen, das ist hier nicht das Thema. Kommen wir wieder auf die Opfer, auf die Toten, die Verletzten, die Vertriebenen, die, deren Heim, Haus, Leben zerstört wurde, die eine solche „embedded“ Berichterstattung ausblendet.

 

Monitor-Chef Georg Restle kommentierte am 29. Juli 2014 in den Tagesthemen (Quelle: Monitor Georg Restle bei Facebook):

Über tausend Tote, dreieinhalbtausend Verletzte, hunderttausend auf der Flucht: Wer die Zahlen der Vereinten Nationen von heute ernst nimmt, der sollte aufhören, in der Ukraine von einem Konflikt oder Aufstand zu sprechen. Nein: Dies ist Krieg. Mitten in Europa. Und es ist einer der schmutzigsten, den dieser Kontinent in den letzten Jahrzehnten gesehen hat. Was die Menschen in Donezk oder Lugansk in diesen Tagen erleben, ist ein Albtraum, den die meisten von uns nur noch von den Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern kennen:

 

Kein Strom und kein Wasser, kaum noch Brot zum Essen und die tägliche Angst, schon morgen unter den Trümmern des eigenen Hauses begraben zu werden. Ja, dieser Krieg muss aufhören. Aber mit wohlfeilen Appellen ist es längst nicht mehr getan. Schon gar nicht mit einseitigen. Wenn westliche Politiker Vladimir Putin zurecht auffordern, Russlands Unterstützung für die prorussischen Terrormilizen zu beenden, dann müssen sie jetzt auch der ukrainischen Regierung in den Arm fallen.

 

Denn der Bericht der UN ist unmissverständlich. Auch das ukrainische Militär terrorisiert die Zivilbevölkerung. Es trägt den Krieg mit Artilleriefeuer in Wohn- und Schlafzimmer. Es nimmt kaum Rücksicht auf die Not der Menschen, und auf deren Leben offenbar noch weniger. Dies kann und darf Europa nicht dulden. So wie Moskau mitverantwortlich ist für eine Soldateska, die Unschuldige entführt, foltert und mordet, so tragen Europas Regierungen Mitverantwortung für das rücksichtslose Töten einer Regierung, der sie selbst zur Macht verholfen haben. Deshalb braucht es jetzt eine klare Botschaft an die Machthaber in Kiew.

 

Der Terror gegen die Zivilbevölkerung muss beendet, der Artilleriebeschuss von Wohngebieten sofort eingestellt werden. Wenn nicht, macht sich Europa mitschuldig: Dann sind die getöteten Zivilisten im Häuserkampf von Donezk oder Lugansk auch unsere Toten.“.

 

Sebastian Köpcke merkt auf Facebook dazu noch an (Monitor Georg Restle, unter Kommentare): „Georg Restle irrt, wenn er den Eindruck erweckt, dass die Verantwortung des Westens sich daran bemisst, wie wir heute unser Verhalten zur ukrainischen Regierung gestalten. Der Punkt ist längst nicht mehr – wenn, dann! Die Toten in der Ukraine SIND von Anfang an UNSERE Toten – auf dem Maidan, in Odessa, in Flug MH17, in Donezk und Lugansk ... die Menschen sterben dort nicht für IHRE sondern für UNSERE Freiheit, die darin besteht, barrierefreien Zugang zu ihren Ressourcen zu organisieren. Den Preis für UNSERE globalen Ambitionen bezahlen selbstverständlich immer die anderen.

 

Putin hat mit dieser Frage nichts zu tun, er interessiert mich nicht, denn es ist UNSERE eigene Politik, für die man sich schämen muss, es ist unsere eigene Politik, die alle Werte beschmutzt, es sind unsere Medien, die rund um die Uhr wie im Drogenrausch Mobilmachungshetze absondern und es ist dieses Amalgam aus verlogener Politik und verantwortungsloser Journaille, das uns jeder Möglichkeit beraubt, irgendeine qualifizierte Kritik an andere zu richten.“

 

Zumindest ein großer Teil der Toten in der Ukraine sind UNSERE Toten, aber die meisten von uns sehen sie nicht. Denn sie sind 1) leider, leider von den „Falschen“ umgebracht worden, nämlich „unseren“ Leuten in der Ukraine; 2) hat uns die Propaganda von Medien und Politik subtil, aber stetig und lange immer wieder meist unterschwellig deren Minderwertigkeit eingeredet – bis viele tatsächlich daran glauben. Wobei dieser Glaube sich eher ins Unterbewusste eingenistet haben dürfte als offen reflektiert wird.

 

Wo „Russenfreund“ schon zum Schimpfwort geworden ist, da ist „Russe“ erst recht zum Schimpfwort geworden. Und „Russen“ sind der große Teil der Bewohner der Ostukraine in der verkürzten Wahrnehmung des durchschnittlichen deutschen – nein, nicht nur Bildzeitungs-, sondern auch Welt-, Zeit-, Spiegel-, Focus- usw. usw. Lesers, Tagesschau- und heute-journal-Guckers ja ohnehin. Und als „Russen“ haben sie in der „Ukraine“ im Grunde nichts verloren – sollen sie doch nach Russland gehen! Egal, dass viele und von vielen auch die Vorfahren schon seit Geburt bzw. langer Zeit dort leben, dass sie ukrainische Staatsbürger sind von dem Zeitpunkt an, ab dem die Ukraine überhaupt als selbstständiger Staat existiert – egal.

 

Jetzt deutet in der Ukraine vieles darauf hin, dass eine tatsächliche und in manchen Fällen vielleicht auch nur vermeintliche ethnische Zugehörigkeit das Kriterium für das Recht sein soll, weiter in seiner angestammten Heimat gleiche staatsbürgerliche Rechte wie alle anderen haben zu dürfen; die Bevölkerung der Ostukraine wurde sofort nach dem Regierungswechsel von der politischen Beteiligung weitgehend ausgeschlossen. Ja, mehr noch, in den Augen nicht weniger ukrainischer radikaler Nationalisten („Faschisten“) wird ihnen sogar das Recht streitig gemacht, überhaupt weiter dort leben zu dürfen. (2) Wie hieße das auf Deutschland übertragen? „Türken raus!“ Das würde Ihnen nicht gefallen? Vielleicht eher so etwas wie „Juden raus!“ Ach so, das hatten wir doch schon einmal, es sind ja auch fast keine Juden mehr da.

 

Oder doch lieber neutraler, wir wollen ja niemanden diskriminieren: „Deutschland den Deutschen!“ Kommt auch nicht so gut? Kennen Sie irgendwoher, schon mal wo gesehen? NPD-Niveau? Aber in der Ukraine darf das die weitverbreitete Stimmung gegen die Bevölkerung im Ostteil des Landes sein, darf es die offizielle Politik sein, was die politische Vertretung dieser Minderheit im Gesamtstaat angeht, darf die offizielle Politik sein, was die tödliche Demonstration der „Grad“-Raketen betrifft, „ihr gehört nicht zu uns, wie wollen euch hier nicht haben, euer Leid ist nicht unser Leid?“ Was, wie gesagt, die Grad-Raketen auf die Städte jeden Tag jedem in der Ostukraine, wie auch jedem im „Westen“, der nicht völlig auf den Kopf gefallen ist, demonstrieren.

 

Kommen wir noch einmal auf „Terrorismus“. Die Definition dessen, was „Terrorismus“ und „Terroristen“ sind, ist seit Jahrzehnten heftig umstritten. Immer noch gilt, dass die „Terroristen“ der einen oft genug die „Freiheitskämpfer“ der anderen sind. Der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat 2005 eine Definition von „Terrorismus“ vorgeschlagen, die unabhängig von bestimmten Interessen allgemein gültig ist. Nach Annan brauche es eine Definition, „die deutlich macht, dass es sich bei all jenen Handlungen um Terrorismus handelt, die die Absicht haben, den Tod oder schwere körperliche Schäden bei Zivilisten und nicht Kämpfenden herbeizuführen, mit dem Ziel, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation dazu zu zwingen, etwas zu tun oder zu unterlassen“ (siehe hier).

 

Er sagte in dieser Rede unter anderen auch: „Es ist nicht nötig, darüber zu diskutieren, ob Staaten sich des Terrorismus schuldig machen können oder nicht, denn der uneingeschränkte Einsatz von Waffengewalt seitens eines Staates gegen die Zivilbevölkerung ist durch das internationale Recht klar untersagt“. Wenn von „Terrorismus“ in der Ukraine die Rede sein soll, dann sollte man sich Annans Definition von Terrorismus noch einmal bewusst machen, „dass es sich bei all jenen Handlungen um Terrorismus handelt, die die Absicht haben, den Tod oder schwere körperliche Schäden bei Zivilisten und nicht Kämpfenden herbeizuführen, mit dem Ziel, die Bevölkerung einzuschüchtern“. Was ist der Beschuss der Städte mit „Grad“-Raketen anderes als genau das?

 

Thomas Konicz schreibt am 30. Juli auf heise.de (http://www.heise.de/tp/artikel/42/42409/1.html, (mit zahlreichen Verlinkungen):

 

„Ukrainisches Todesroulette

Mit aller Macht versuchen Kiews Truppen eine Entscheidung im ukrainischen Bürgerkrieg herbeizuführen – und begehen dabei immer öfter Massaker an der Zivilbevölkerung. Deutsche Massenmedien wollen von all dem aber nichts wissen. […]

 

Bei ihrem Vormarsch gingen die ukrainischen Streitkräfte abermals dazu über, von den Aufständischen gehaltene Städte mit Artillerie oder Mehrfach-Raketenwerfern zu beschießen. Besonders schlimm hat es Horliwka/Gorlowka erwischt, wo Dutzende von Zivilisten bei dem Beschuss durch Mehrfach-Raketenwerfer des Typs Grad ums Leben kamen. […]

 

Der Beschuss ist durch Zufall auf Video festgehalten und auf YouTube publiziert worden. Beim verstreuten Einschlag der Raketensalve steigen in der ganzen Stadt Rauch- und Staubwolken auf, sodass von einem gezielten Schlag gegen etwaige militärische Ziele beim besten Willen nicht gesprochen werden kann. Dieser Beschuss trägt vielmehr alle Charakteristika eines Angriffs, der die Widerstandskraft der Zivilbevölkerung brechen soll. Die Milizen und frisch aufgestellten Formationen der Nationalgarde, die nun die ukrainischen Streitkräfte bilden, greifen bei ihrer "Antiterroroperation" offensichtlich zur Terrortaktik. […]

 

Generell kommen bei diesen Terrorangriffen all diejenigen Menschen zu Schaden, die es sich nicht leisten können, die Bürgerkriegsregion zu verlassen. Denn der Vorfall in Horliwka/Gorlowka stellt ja beileibe keinen Einzelfall dar. Fast täglich melden russische Medien – denn im Westen will kaum ein Massenmedium der ukrainischen Armee genauer auf die Finger schauen – getötete Zivilisten bei Raketen- oder Artillerieschlägen gegen die aufständischen Städte im Osten der Ukraine. […]

 

Ein Großteil dieser zivilen Opfer ist auf die besagte Terrortaktik der ukrainischen Streitkräfte zurückzuführen, da nahezu ausschließlich von Rebellen gehaltene Städte von Artillerie beschossen und mit Flugzeugen bombardiert wurden. Die US-NGO Human Rights Watch konnte vier solcher Vorfälle, bei denen Städte mit Grad-Raketen beschossen wurden, genauer untersuchen. Das Fazit:

 

Die vier Angriffe fanden in der Nähe der Frontlinie zwischen Aufständischen und Regierungskräften statt. Aufschlagskrater am Boden und an Gebäuden, die Human Rights Watch untersuchen konnte, waren charakteristisch für Raketenangriffe, nicht für Artilleriebeschuss. In allen vier Fällen haben der Winkel und die Form der Krater, sowie der Fakt, dass die Einschläge an den Seiten der Gebäude waren, die zur Frontlinie wiesen, stark darauf hingedeutet, dass die Raketen aus der Richtung ukrainischer Regierungskräfte oder bewaffneter Pro-Kiew-Gruppen kamen.

 

Der Beschuss von Städten mit Grad-Raketen kann nur als verbrecherisch eingestuft werden, da eine genaue Zielfestlegung mit diesen Waffen schlicht nicht möglich ist. Grad-Systeme werden eigentlich dazu eingesetzt, um Truppenverbände großflächig anzugreifen, sie weisen eine sehr große Streuung auf. Die Bedienmannschaft eines solchen Mehrfach-Raketenwerfers kann das Gebiet festlegen, in dem die Raketen niedergehen sollen, sie kann aber deren genaue Aufschlagspunkte nicht vorhersehen – der Mangel an Zielgenauigkeit wird durch die Masse der verschossenen Raketen ausgeglichen. Eingesetzt gegen Städte, gleicht der Grad-Beschuss somit einem Todesroulette. Völlig willkürlich und zufällig werden Menschen ohne jegliche Vorwarnzeit buchstäblich aus dem Leben gerissen. Die Intention eines Beschusses von Städten durch Grad-Systeme kann folglich nur darin liegen, deren Bewohner willkürlich zu töten. Ein solcher Akt stellt eindeutig ein Kriegsverbrechen dar.“

 

Und der „Westen“ unterstützt in der Ukraine eben genau das. Die Politik des „Westens“ wie die ihr zuarbeitende Propaganda der Medien. Konicz (s. oben) bringt es für die Medien auf den Punkt: „Es scheint, als ob sich Deutschlands Meinungsmacher von der Taz bis zur FAZ – mal wieder – kollektiv in die Schützengräben begeben hätten, um fortan die Funktion einer Propagandakompanie auszuüben“. Ein krasses Beispiel von vielen, ein Kommentar auf Zeit online von Carsten Luther vom 30. Juli 2014.

 

Schlagzeile: „Die ukrainische Militäroffensive im Osten ist kompromisslos, die Armee macht Fehler. Doch solange Russland die Rebellen weiter stärkt, gibt es keine andere Option.“ Der systematische Beschuss einer Stadt ist „kompromisslos“, in der Tat. Aber man staune: Er wird als (wenn er denn damit gemeint ist) „macht Fehler“ verniedlicht. Und dann der Höhepunkt: „Es gibt keine andere Option“ – „keine andere Option“ zu Tod und Zerstörung. Ansonsten die üblichen Behauptungen und Verdächtigungen. Und selbst die Schuld an den Beschießungen der Städte mit den „Grad“-Raketen wird noch den „Separatisten“ zugeschoben:

 

„Außerdem schießen die Separatisten von Wohnhausdächern auf Armeestellungen und kalkulieren zivile Opfer kaltblütig ein.“ Das ist einfach Unsinn, da die „Grad“-Raketen nun einmal völlig ungeeignet sind, zielgenau Schützen auf Hausdächern unter Feuer zu nehmen. Die Bombardierung mit „Grad“-Raketen hat nun einmal nichts mit Schützen auf Hausdächern zu tun. Und so sterben, gerechtfertigt und verschwiegen von einer kriegsgeilen Medienmehrheit, die Menschen weiter. So etwas hat es in Deutschland seit Jahrzehnten nicht gegeben – was macht es jetzt plötzlich zum „Mainstream“ in der veröffentlichten Meinung?

 

Wenn man in diesem Krieg das sehen will, was nun einmal das Hauptkennzeichen jedes Krieges ist – nämlich Tod, Leid und Zerstörung – sieht man in unseren Medien sehr wenig. Um die Realität des Krieges zu sehen, muss man ins russische Fernsehen schauen. Wer das vorschlägt, der bekommt gerne den Vorwurf, das russische Fernsehen sei doch reine Propaganda, staatlich gesteuert, eben „Putin“. Das mag ja für viele oder die meisten politischen Themen und Kommentare gelten (Zwischenfrage: Was ist eigentlich bei uns??), aber die Filme und Bilder vom Krieg: Ist das Propaganda? Meinen Sie das ernst?

 

Propaganda, das wäre in diesem Fall: Staatsschauspieler, die sich mit Ketchup übergießen lassen und reglos auf die Straße legen? Leute, die zu heftig Party gefeiert haben und die Löcher in der Wohnzimmerwand nun auf Putins Anordnung als Granateinschläge verkaufen? Nun, das ist halt die unbequeme Wahrheit, die natürlich niemand von unseren kriegsgeilen Propagandisten hören will: Diese Bilder zeigen den Krieg, EUREN schmutzigen Krieg, egal welche politische Ausrichtung der jeweilige Sender hat, der uns diese simple Wahrheit des Krieges zeigt.

 

Und die toten „Russen“ sind also nicht nur umgebracht worden, sondern wie im Leben so noch im Tod für uns Menschen zweiter Klasse, wenn man sie beschweigt oder gar verleugnet. Gedemütigt noch im Tod. Sie sind halt nicht „unsere“ Toten – jetzt in dem Sinn, dass sie es uns wert sind, ihr Leid zur Kenntnis zu nehmen. Das kann man so nicht hinnehmen: Schaut euch die Filme, die Bilder, von Tod, Leid und Zerstörung an! Nicht aus Voyeurismus, sondern mit dem Mitgefühl, das diese sterbenden, toten, körperlich und seelisch verletzten, ihrer Angehörigen, Lebensgrundlagen beraubten Menschen verdient haben. Mit der klaren Botschaft: Das muss sofort aufhören!!!

 

Das Internet macht es euch leicht, das zu sehen. Sonst schaut auch ihr weg. Und die Ukraine ist ja nicht der einzige Ort, wo Derartiges geschieht.

 

Anmerkungen

 

(1)   Siehe etwa http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-krise-wie-propaganda-die-meinung-der-russen-leitet-a-983835-druck.html. Albrecht Müller kommentiert das auf den Nachdenkseiten so: „Hier berichtet eine Meinungsmaschine (Der Spiegel) über die andere Meinungsmaschine (die russischen Medien). Das ist schon apart. Aber diese Schreiberlinge merken offenbar gar nicht mehr, wie sehr sie dem Objekt ihrer Kritik gleichen.“

(2)   Aktuell (30.7.2014) zur politischen Lage etwa http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58924.

 

 

 

 

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